Im Fokus: Die Arbeit des DWIH Tokyo im Jahr 2022
Die Vielschichtigkeit des deutsch-japanische Austauschs zu Wissenschaft und Innovation zeigte sich 2022 besonders deutlich bei den Aktivitäten des DWIH Tokyo. Von Künstlicher Intelligenz über Fragen der Geschlechtergerechtigkeit bis hin zur Biodiversität reichte die Bandbreite der behandelten Themen.
Große Vielfalt der Künstlichen Intelligenz
Höhepunkt des Jahres 2022 war für das DWIH Tokyo das 3. Japanisch-Deutsch-Französische Symposium zur Künstlichen Intelligenz (KI). Unter dem Titel „AI for Planetary Challenges in the Anthropocene“ diskutierten rund 60 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über die Chancen, mithilfe von KI mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft zu schaffen. Das Themenspektrum reichte von Medizin über Smart Cities bis zur Landwirtschaft. Mehr als 300 Interessierte nahmen an der Veranstaltung am 27. und 28. Oktober in Tokyo teil. Nur wenige Wochen zuvor waren die strengen pandemiebedingten Einreisebeschränkungen in Japan weitgehend aufgehoben worden. „Es war das erste große Event vor Ort nach mehr als zwei Jahren, man hat den Durst nach Vernetzung förmlich gespürt!“, sagt die Leiterin der Programmarbeit im DWIH Tokyo, Dr. Laura Blecken: „Was uns besonders gefreut hat: Unsere Unterstützer haben eine Reihe weiterer Veranstaltungen rund um das Symposium organisiert, um die Beschäftigung mit dem Thema zu vertiefen – von Alumni-Treffen bis zu Vorlesungen.“
Diversität, Inklusion, Empowerment
Auf große Resonanz stieß die auch Podiumsdiskussion „Diversity in Science – How to Promote Inclusion & Empowerment in Japan“, die ebenfalls im Oktober stattfand. In den meisten Ländern sind Frauen in der Wissenschaft unterrepräsentiert. In Deutschland sind weniger als 30 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt, in Japan ist der Anteil noch geringer. „In japanischen Medien ist das durchaus ein Thema – aber viele Teilnehmende haben mir gesagt, dass sie nie zuvor auf einer öffentlichen Veranstaltung zu Diversität in der Wissenschaft waren“, erinnert sich Laura Blecken: „Dieser Austausch war deshalb sehr wichtig.“ Bei der Veranstaltung wurden Strategien und Methoden vorgestellt, um an den Hochschulen mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Die Keynote Speech hielt Professor Kaori Hayashi, Vizepräsidentin der Universität Tokyo. Die führende Hochschule Japans hat sich zum Ziel gesetzt, den Frauenanteil in der Lehre bis 2027 auf 25 Prozent zu erhöhen und die Anzahl der Professorinnen zu verdoppeln.
„FemTech“ im Fokus
In der Medizin werden Frauen seit jeher benachteiligt: Spezifisch weibliche Gesundheitsthemen wie Menstruation, Schwangerschaft und Menopause spielten in der Forschung lange nur eine untergeordnete Rolle. Das ändert sich gerade: Zahlreiche Start-ups im Bereich „FemTech“ sind auf Innovationen für die weibliche Gesundheit spezialisiert. Unter dem Titel „FemTech: Empowerment through Innovation?“ veranstaltete das DWIH Tokyo im März 2022 gemeinsam mit dem Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB) ein Online-Event zu der Frage, inwiefern solche Innovationen zur Stärkung von Frauen und zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen können. Aus der Veranstaltung ging eine Kooperation mit dem japanischen Start-up fermata hervor, das im September die weltgrößte Messe der Branche, die „FemTech Fes!“, in Tokyo organisierte. Mit Unterstützung durch das DWIH Tokyo konnte auch ein deutsches Start-up daran teilnehmen, das ein Gerät entwickelt hat, mit dem Frauen ihren Hormonspiegel selbst messen können. Auch zur FemTech-Messe 2023 soll wieder ein deutsches Start-up eingeladen werden.
Bedeutung der Biodiversität
Die Reihe der DWIH Coffee Talks – einstündige Online-Diskussionen zu aktuellen Themen der deutsch-japanischen Forschung – wurde 2022 fortgesetzt. Der Erfolg des Coffee Talks zum Thema „Protecting Biodiversity through Science and Innovation“ im Mai 2022 dokumentierte das große Interesse am Thema Nachhaltigkeit. Professor Julia Sigwart vom Frankfurter Senckenberg-Museum, Professor Tomohiro Ichinose von der Keiō-Universität in Tokyo und Professor Stefan Hotes von der Chuo-Universität der japanischen Hauptstadt diskutierten über aktuelle Entwicklungen in der japanisch-deutschen Biodiversitätsforschung. Dabei ging es um die Entdeckung einer Schneckenart in der Tiefsee, das Monitoring von Vogelbewegungen mit Drohnen und um Wechselbeziehungen zwischen menschlichen Aktivitäten und Ökosystemen an Land. Der Coffee Talk bekam außerordentlich viel Aufmerksamkeit: Bislang wurde er über 9.000-mal angesehen.
Deutsch-japanische Wissenschaftsfaszination
Das DWIH Tokyo holte 2022 zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG) die Ausstellung „Faszination Wissenschaft“ nach Japan. Die deutsche Fotokünstlerin Herlinde Koelbl, die zur Eröffnung im Oktober anreiste, hat für das Projekt mehr als 60 Porträts von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in aller Welt aufgenommen. Anlässlich der Japan-Premiere erweiterte sie die Sammlung um Porträts des japanischen Nobelpreisträgers Professor Shinya Yamanaka und der Astrophysikerin Dr. Nami Sakai. Nach einer Zwischenstation an der Universität Kyoto wird „Faszination Wissenschaft“ 2023 im Nationalen Museum für Zukunftsforschung und Innovation Miraikan in Tokyo gezeigt, einem weltbekannten Wissenschaftsmuseum, das pro Jahr von mehreren hunderttausend Menschen besucht wird.
Miriam Hoffmeyer