Visualize Your Research
Wie kann man wissenschaftliche Daten sichtbar und als informative Geschichte lesbar machen? Dieser Frage widmete sich die Summer Series „Visualize Your Research“ als gemeinsame Veranstaltung des DWIH Tokyo und DWIH New York vom 22. Juni bis 21. August 2021. Studierende aus den USA, Deutschland und Japan nutzten die Gelegenheit, ihre Kenntnisse in der Datenvisualisierung auszubauen, auf ihre eigene Forschung anzuwenden und sich dabei international zu vernetzen.
Daten sind überall – aber wie machen wir sie sichtbar?
Daten und Zahlen umgeben uns überall und begleiten uns in unserem Leben. In den Nachrichten sehen wir sie jeden Tag, aber auch bei unseren alltäglichen Entscheidungen spielen sie eine große Rolle. Auf der Milchpackung zum Beispiel steht der Proteingehalt, auf der Kosmetiktube die Erfolgs-rate oder wir gehen zum Friseursalon mit den besten durchschnittlichen Online-Bewertungen.
Auch in der Wissenschaft gilt es, die beabsichtigten Aussagen präzise und für alle verständlich auf einen Blick zu verdeutlichen. Das beste Forschungsdesign und umständlich erhobene, komplexe Daten verlieren einen Großteil ihrer Aussagekraft, wenn sie nicht so gestaltet und visuell kommuni-ziert werden, dass man am Ende auch die Sinnhaftigkeit versteht. In der Öffentlichkeit, bei Vorträ-gen oder auch in Aufsätzen für Fachkolleginnen und -kollegen ist es entscheidend, die Aussagen der eigenen Daten und das, was sie erzählen sollen, zugänglich zu machen.
"Instead of using data to become more efficient, we will all use data to become more human"Georgia Lupi (Informationsdesignerin)
Die menschliche Seite von Daten – Vortrag von Georgia Lupi
Am 22. Juni 2021 leitete der Vortrag von Georgia Lupi die Summer Series ein. Lupi ist eine italienische Informationsdesignerin und Expertin im Bereich der Visualisierung von Daten und ist besonders für ihre menschliche Herangehensweise an Datenvisualisierung bekannt.
In ihrem Vortrag fordert Lupi einen „Data Humanism“, der die menschliche Seite von Daten und ihrer Darstellung in den Mittelpunkt rückt. Dazu wählt sie eine künstlerische Herangehensweise und stellt neue, kreative Methoden der Visualisierung und Anwendung von Daten vor. Sie sagt dazu in ihrem Vortrag: “Anstatt Daten zu benutzen, um effektiver zu werden, werden wir alle Daten benutzen, um menschlicher zu werden” (Instead of using data to become more efficient, we will all use data to become more human)
Die Kunstwerke, die Georgia Lupi mit Daten erstellt, finden sich zum Beispiel in der Sammlung des Museum of Modern Art. In einem anschließenden Q&A beantwortete Lupi konkrete Fragen zur Visualisierung im wissenschaftlichen Kontext. Eine Aufzeichnung des Vortrags von Georgia Lupi steht hier zur Verfügung.
Datavizzers – Eigene Projekte gestalten, Neues ausprobieren
Im zweiten Teil der Summer Series konnten die Teilnehmenden in eigenen Projekten unter Anleitung von Daniel Sauter ihr erworbenes Wissen in die Tat umsetzen. Sauter ist Associate Professor an der Parsons School of Design und der Leiter des Programms für Datenvisualisierung. Er arbeitet an neuen Wegen der Wissenschaftskommunikation und Software zur Darstellung von Daten.
Die Teilnehmenden fanden sich zu Beginn des zweiten Teils der Summer Series in Gruppen zusammen, um gemeinsam ein Visualisierungsprojekt zu realisieren.. Mit der Hilfe von Daniel , dessen Studierende an der Parsons School of Design regelmäßig Datenvisualisierungsprojekte erarbeiten und vorstellen, konnten die Teilnehmenden die ersten Schritte eines solchen Projekts selbst gehen.
Sauter zeigte in seinen Workshops auch verschiedene Software zur Datenvisualisierung und gab erste Einblicke in deren Anwendung.
Die Stimmen der Teilnehmenden
Mayra Barata und Ruslan Nikitin haben an der Summer Series teilgenommen und blicken im Interview gemeinsam auf ihre Erfahrungen zurück.
Mayra Barata ist eine Masterstudierende im Fachbereich Ernährungswissenschaften und Epidemiologie an der Sao Paulo Medical School in Brasilien. Aufgrund ihrer aktuellen Forschungsprojekte hat sie täglich mit Daten und deren Auswertung zu tun.
Ruslan Nikitin ist Post-Doc und Wissenschaftler an der Harvard Medical School im Bereich Public Health. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit öffentlichem Gesundheitsmanagement und interessiert sich dafür, wie Daten in diesem Kontext effektiv eingesetzt werden können.
Bei der Umsetzung ihres Visualisierungsprojekts während der Summer Series vereinte beide ihr Interesse für Gesundheitsthemen. Deshalb beschäftigten sich die beiden mit dem Zusammenhang zwischen dem nationalen Glücksempfinden und dem Auftreten von Depressionen.
Mayra, Ruslan, warum habt ihr euch dafür entschieden, an der Summer Series teilzunehmen?
Mayra: Für mich war es hauptsächlich Neugier. Auch wenn ich mich jeden Tag in meiner Forschung mit Daten beschäftige, habe ich doch nie richtig gelernt, mit diesen Daten umzugehen. Wir reproduzieren eigentlich nur das, was wir überall sehen: Graphen und Tabellen. Ich war neugierig, was es noch für Möglichkeiten gibt, Daten visuell darzustellen.
Ruslan: Ich analysiere Gesundheitspolitik und beschäftigte mich mit Public Health Management und wollte deshalb in der Summer Series etwas darüber lernen, wie man in diesem Bereich Daten und Studienergebnisse mithilfe von Visualisierung übersetzen und für die Öffentlichkeit zugänglich machen kann. Für mich ist dabei Interaktivität, die Einbindung verschiedener Gruppen sowie Empowerment wichtig. Visualisierung kann eine Art Brücke über die uns teilenden Unterschiede bauen. Zum Beispiel in einer Pandemie können visuelle Nachrichten alle Menschen erreichen, unabhängig von ihren sprachlichen Fähigkeiten.
Wie werdet ihr die Fähigkeiten, die ihr in der Summer Series erworben habt, in der Zukunft verwenden?
Mayra: Ich werde mein Wissen aus der Summer Series auf jeden Fall mit meiner Forschungsgruppe an meiner Universität teilen. Wir suchen schon seit einiger Zeit nach neuen Wegen, die von uns erhobenen Daten neu zu gestalten. Wenn ich mein Masterstudium abgeschlossen habe, will ich auch die vielen weiteren Ideen und Ansätze, die Daniel Sauter uns gezeigt hat, weiterverfolgen.
Welcher Punkt hat euch an der Summer Series am besten gefallen?
Ruslan: Für mich war der Perspektivwechsel der Workshops mit Daniel Sauter sehr hilfreich. Als Forscher habe ich eine pragmatische Herangehensweise an Datenvisualisierung. Daniel Sauter hat mir mit seinem Blickwinkel von Kreativität und Design als wichtigsten Aspekt bei der Visualisierung viel neuen Input gegeben.
Habt ihr eine „lesson learned“, also eine besonders wichtige Erkenntnis, die ihr aus der Summer Series mitnehmt?
Mayra: Ich weiß nicht, ob das nicht etwas cringe ist, aber ich würde sagen: Alles braucht Zeit. Jegliche Form von Wissenschaft braucht viel Zeit und Aufwand. Besonders Visualisierung sehen so einfach aus, aber es steckt viel Mühe dahinter.
Ruslan: Mir macht Datenvisualisierung sehr viel Spaß. Es ist so, als würden Wissenschaft und Kreativität heiraten.
Text: Lewis Allen Erckenbrecht (DWIH Tokyo)