Dr. Sho Tsuji

© DWIH Tokyo / Dr. Sho Tsuji

In unserer Serie “Connecting East and West – A Short Interview with …” stellen wir Ihnen Menschen vor, die an deutsch-japanischen Forschungskooperationen beteiligt sind – und ihre Erkenntnisse darüber, wie und wo man erfolgreich kooperiert!

Diese Woche begrüßen wir Dr. Sho Tsuji, Principle Investigator am International Research Center for Neurointelligence, Universität Tokio, und Expertin für Entwicklungspsychologie und kindlichen Spracherwerb, die über ihre Erfahrungen bei der Arbeit in Japan und Deutschland berichtet. Sie hält ein leidenschaftliches Plädoyer für Forscher:innen, mehr zu kooperieren!

1. Welche Art von Forschung begeistert Sie, und warum?

Entwicklungspsychologie, die die Entwicklung der kindlichen Kognition untersucht. Im Bereich der künstlichen Intelligenz ist man derzeit sehr daran interessiert, wie Babys lernen, und ich finde diese Perspektive wirklich spannend: Wenn wir eine Maschine bauen würden, die so gut lernt wie ein Baby, welche Elemente müssten dann eingebaut werden (Anlage) und welche Erfahrungen bräuchte sie, um zu lernen (Umwelt)? Nur um das klarzustellen: Ich finde diese Perspektive nicht spannend, weil ich von einem Roboterbaby träume, sondern weil es hilft, unsere Gedanken zu strukturieren und über Forschungsrichtungen zu entscheiden. Konkret geht es in meiner eigenen Forschung um die Rolle der sozialen Interaktion beim Lernen von Babys. Wenn wir darüber nachdenken, wie wir eine “soziale Lernmaschine” konstruieren können, müssen wir darüber nachdenken, wie wir “Sozialität” in formalen und messbaren Begriffen definieren können. Dabei geht es in der Quintessenz darum, einen der Grundpfeiler dessen, was uns zu Menschen macht, zu überdenken.

2. Was ist Ihre Verbindung zu Japan?

Ich bin seit zwei Jahren in Japan und gehöre zu zwei relativ neuen Instituten an der Universität Tokio, dem International Research Center for Neurointelligence und dem Beyond AI Institute. Aber meine Verbindung reicht viel weiter zurück. Ich habe eine sehr persönliche Verbindung zu Japan, da meine Mutter Japanerin ist (sie selbst ist vor vielen Jahren zu Forschungszwecken nach Deutschland gezogen), und ich habe Japan während meiner gesamten beruflichen Laufbahn besucht: Als Austauschstudentin während des Studiums im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der Humboldt-Universität und der Universität Tokio, als Austauschstudentin während des Studiums mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes am RIKEN Center for Brain Sciences und später mit einem Stipendium der CANON-Stiftung in Europa am selben Zentrum.

3. Wo sollten Japan und Deutschland mehr kooperieren?

Im Bereich der kindlichen Entwicklung und insbesondere der Sprachentwicklung ist es von größter Bedeutung, verallgemeinerbare Ergebnisse zu erhalten, die nicht nur für Kinder zutreffen, die in einer bestimmten Kultur aufwachsen. Japan und Deutschland eignen sich hervorragend für einen Vergleich, da sie einen vergleichbaren sozioökonomischen Status, aber sehr unterschiedliche Kulturen und Sprachen haben. Darüber hinaus stehen beide Länder vor ähnlichen demografischen Herausforderungen wie Kinderarmut oder Zugang zu medizinischer Infrastruktur in ländlichen Gebieten, denen durch Interventionsprogramme und den Zugang zu Ferndiagnose und neuen Behandlungsformen entgegengewirkt werden könnte.

4. Was ist Ihr Erfolgsrezept für Forschungskooperationen?

Kollaborationen werden zunehmend interdisziplinär und sind größer angelegt. Für mich sind der menschliche Faktor und eine gute Kommunikation die Schlüssel zu jeder erfolgreichen Zusammenarbeit, insbesondere in dieser sich verändernden Kooperationslandschaft: Interdisziplinäre Ansätze bringen Forscher:innen mit völlig unterschiedlichen Hintergründen und Denkweisen zusammen. Wenn sie tatsächlich eine gemeinsame Sprache finden, kann das zu wunderbaren Ideen führen – aber diese gemeinsame Sprache zu finden, ist ein ganzes Unterfangen für sich. Im Hinblick auf die groß angelegte Zusammenarbeit habe ich die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, die Rollen und Beiträge der Forschungsmitglieder klar abzugrenzen, um sicherzustellen, dass der Beitrag jedes Einzelnen gewürdigt wird.

5. Welchen Rat haben Sie für japanische Forscher:innen, die nach gemeinsamen Projekten suchen?

Ich würde mir wirklich wünschen, dass sich mehr japanische Forscher:innen für Kooperationen öffnen würden, selbst bei bestehenden Sprachbarrieren. Jetzt, wo ich in Japan lebe, besuche ich (wenn auch meist virtuell…) nationale Konferenzen und sehe eine Menge großartiger Forschungsprojekte, die international nicht sichtbar sind. Ich erlebe auch, dass mehr japanische Forscher:innen auf mich zukommen, jetzt wo ich in Japan bin. Ich würde es begrüßen, wenn Forschende aus Japan ihre Arbeit sichtbarer machen würden, indem sie auf englischsprachigen Konferenzen veröffentlichen und präsentieren und auch aktiv auf Kolleg:innen im Ausland zugehen. Ich glaube, ich spreche für viele Forscher:innen, wenn ich sage, dass ich mich immer freue, wenn sich jemand für meine Arbeit interessiert und sich bei mir meldet, und es ist mir egal, wenn das Englisch nicht perfekt ist. Also, bitte melden Sie sich!

Dr. Sho Tsuji

  • Principal Investigator & Assistant Professor, Universität Tokyo, International Research Center for Neurointelligence (IRCN) and Beyond AI Institute
  • Postdoc-Forscherin, University of Pennsylvania und Laboratoire de Sciences Cognitives et Psycholinguistique (ENS, EHESS, CNRS)
  • Gastwissenschaftlerin,RIKEN Brain Sciences Institute
  • Promotion im Bereich Psycholinguistik, International Max Planck Research School (IMPRS) for Language Sciences & Radboud Universität
  • Diplom in Psychologie an der Humboldt Universität Berlin

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