DFG fördert 13 neue Sonderforschungsbereiche
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung der Spitzenforschung an den Hochschulen 13 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss in Bonn. Die neuen Verbünde werden ab dem 1. Januar 2023 zunächst vier Jahre lang mit insgesamt rund 166 Millionen Euro gefördert. Darin enthalten ist eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Fünf der neuen Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Hochschulen verteilen.
Themen reichen von mikrobiellen Netzwerken über Seltenerdmetalle bis Pflanzengesundheit / 166 Millionen Euro Fördermittel für zunächst vier Jahre / Zwei Pakete von Transferprojekten
Zusätzlich zu den 13 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 13 Sonderforschungsbereichen um je eine weitere Förderperiode, darunter wiederum fünf SFB/Transregio. Sonderforschungsbereiche ermöglichen die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben im Verbund und sollen damit der Schwerpunkt- und Strukturbildung an den antragstellenden Hochschulen dienen; sie werden maximal zwölf Jahre gefördert. Ab Januar 2023 fördert die DFG insgesamt 279 Verbünde.
Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen und unter Nennung der Sprecherinnen und Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen):
Innerhalb der reinen Mathematik bearbeitet der SFB/Transregio „Ganzzahlige Strukturen in Geometrie und Darstellungstheorie“ mehrere Teilbereiche, die normalerweise getrennt beforscht werden: So werden Kombinatorik, algebraische Geometrie, Zahlentheorie und Darstellungstheorie auf kreative Art disziplinübergreifend betrachtet. Dabei bilden die titelgebenden ganzzahligen Strukturen das übergreifende Dach, unter dem die Arbeiten vereint werden. Neben der Bearbeitung der mathematischen Fragestellungen sollen dabei auch grundlegende neue Methoden entwickelt werden. (Universität Bielefeld, Sprecher: Professor Dr. Kai-Uwe Bux; ebenfalls antragstellend: Universität Paderborn)
Elektrisch leitfähige Keramikwerkstoffe weisen vielfältige Eigenschaften auf und werden zunehmend in der Energiewandlung, -speicherung oder in der Elektronik eingesetzt. Der Sonderforschungsbereich „FLAIR – Fermi Level Engineering angewendet auf oxidische Elektrokeramiken“ zielt darauf ab, das sogenannte Fermi-Level-Engineering – ein etabliertes Konzept der Halbleiterphysik zur Veränderung der Materialeigenschaften durch chemische Substitution – nun auch für die Herstellung und Funktionalisierung neuartiger Oxidkeramiken mit gewünschten physikalischen und chemischen Eigenschaften nutzbar zu machen. (TU Darmstadt, Sprecher: Professor Dr. Andreas Klein)
Der Sonderforschungsbereich „Mikrobielle Netzwerke – von Organellen bis hin zu Reich-übergreifenden Lebensgemeinschaften“ will die Evolution von Organellen und die räumliche Struktur und Dynamik mikrobieller Netzwerke sowie zentraler Stoffwechselwege besser verstehen lernen. Dazu analysiert er mikrobielle Gemeinschaften von der Ebene intrazellulärer Interaktionen zwischen Organellen oder Endosymbionten und ihrer Wirtszelle bis hin zu interzellulären Beziehungen in mikrobiellen Netzwerken. So will er grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse liefern, die in Zukunft die gezielte Manipulation mikrobieller Interaktionen ermöglichen, was für die Suche nach Lösungen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Ökosystemen von großer Bedeutung ist. (Universität Düsseldorf, Sprecher: Professor Dr. Michael Feldbrügge)
Das zentrale Nervensystem ist das komplexeste Organsystem des Menschen. Viele damit verbundene grundlegende Prozesse und Krankheiten sind noch immer nicht vollständig verstanden. Erst vor Kurzem entdeckten Forscherinnen und Forscher den bedeutenden Beitrag mechanischer Stimuli in diesem Kontext, denen sich nun auch der Sonderforschungsbereich „Erforschung der Mechanik des Gehirns (EBM): Verständnis, Engineering und Nutzung mechanischer Eigenschaften und Signale in der Entwicklung, Physiologie und Pathologie des zentralen Nervensystems“ widmet. Durch die Verbindung von Natur- und Lebenswissenschaften will der Verbund wichtige Impulse für das Forschungsfeld der Gehirnmechanik liefern und zu einem tieferen Verständnis neurologischer Prozesse des zentralen Nervensystems und zu Ansatzpunkten für Therapiemöglichkeiten beitragen. (Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecher: Professor Dr.-Ing. Paul Steinmann)
Wie entwickelt sich das Immunsystem im Mutterleib? Und welche Auswirkungen hat die Geburt, und damit die physische Trennung von der Mutter, auf das Immunsystem des Neugeborenen? Der SFB/Transregio „Perinatale Entwicklung der Immunzell-Topologie (PILOT)“ will diese Fragen umfassend beantworten und analysiert, wie sich Immunzellen während Schwangerschaft und Geburt, also perinatal, ausbilden. Geklärt werden soll, wie programmierte Entwicklungslinien und exogene Einflüsse zusammenspielen, um die Immunzelldifferenzierung und das lokale Immungleichgewicht zu gewährleisten. Dazu untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insbesondere „Grenzgewebe“ wie Darm, Lunge, Haut und Plazenta, um so neue Einblicke in das Immunsystem zu erhalten. (Universität Freiburg, Sprecher: Professor Dr. Philipp Henneke; ebenfalls antragstellend: LMU München)
Genexpression umfasst mehrere Schritte, um die genetische Information in der DNA in Proteine als Werkzeuge der Zelle umzuwandeln. Die einzelnen Prozesse sind einerseits zeitlich und zum Teil örtlich voneinander getrennt, bilden andererseits miteinander ein bisher unverstandenes Netzwerk mit diversen Schaltstellen. Der Sonderforschungsbereich „Molekulare Mechanismen und Vernetzung von Prozessen der Genexpression“ will das bislang noch nicht erforschte vielfältige Wechselspiel zwischen den einzelnen Genexpressionsprozessen in den Blick nehmen. So sollen gemeinsame Prinzipien der biologischen Prozesse identifiziert und näher beschrieben werden. Auf diese Weise will der Verbund das Verständnis der zugrundeliegenden Regulationsmechanismen verbessern. (Universität Göttingen, Sprecher: Professor Dr. Markus T. Bohnsack)
Mit der Erforschung der Chemie molekularer und nanoskaliger Verbindungen der Seltenen Erden sowie ihrer physikalischen Eigenschaften befasst sich der Sonderforschungsbereich „4f for Future“. Makro- wie niedermolekulare Materialien auf der Basis solcher Seltenerdmetalle sind wichtig für viele Anwendungen, etwa als Permanentmagnete oder in Bildschirmen. Da für Seltene-Erden-Verbindungen aufgrund der Komplexität der Elektronenstruktur bislang nur wenige Methoden vorliegen, will der Verbund die theoretische Methodenentwicklung in diesem Bereich vorantreiben. Gleichzeitig sollen in Experimenten komplexe chemische Verbindungen hergestellt werden. (KIT Karlsruhe, Sprecher: Professor Dr. Peter Roesky)
Wie der polymere Charakter von Makromolekülen wie DNA, RNA oder Proteinen sowie ihre gegenseitigen Wechselwirkungen die Prozesse in der Zelle und ihre funktionalen Eigenschaften beeinflussen, analysiert der Sonderforschungsbereich „Polymerkonzepte zum Verstehen zellulärer Funktionen“. Auf diese Weise soll ein konzeptioneller Rahmen für die Beschreibung von zellulären Prozessen, die durch das Zusammenspiel von Biopolymeren angetrieben werden, geschaffen werden. Der Verbund kombiniert dazu molekularbiologische und polymerwissenschaftliche Blickwinkel und will so längerfristig eine Lücke im derzeitigen Verständnis von Zellfunktionen schließen. Dabei soll insbesondere das Wechselspiel von Nukleinsäure-Protein-Interaktionen in der Transkriptions- und Translationskontrolle untersucht werden. (Universität Mainz, Sprecher: Professor Dr. Edward A. Lemke)
Regulatorische T-Zellen (kurz Treg) sind eine spezialisierte Untergruppe der T-Zellen, die die Immunantwort regulieren. Wenn sie nicht richtig arbeiten, kommt es zu Autoimmunerkrankungen und chronischen Entzündungen bis hin zur Tumorbildung. Der SFB/Transregio „Heterogenität und funktionelle Spezialisierung regulatorischer T-Zellen in unterschiedlichen Mikromilieus“ will durch Identifikation und mechanistische Ansätze Treg in unterschiedlichen Geweben und Funktionen untersuchen. Ziel ist es, Treg-gerichtete interventionelle Strategien zu entwickeln, um die Immunhomöostase wiederherzustellen und die Regeneration und Remodellierung von Geweben zu befördern. (Universität Mainz, Sprecher: Professor Dr. Ari Waisman; ebenfalls antragstellend: LMU München, TU München)
Der SFB/Transregio „Mathematik der Vielteilchen-Quantensysteme und ihrer kollektiven Phänomene“ richtet den Fokus auf die mathematische Analyse von Modellen aus der Physik der kondensierten Materie. Diese Modelle beschreiben das kollektive Verhalten einer großen Anzahl von wechselwirkenden Komponenten wie Teilchen oder Spins. Während die Gleichungen zur Beschreibung der mikroskopischen Quantenmodelle weitgehend verstanden sind, stößt die Herleitung kollektiver Phänomene auf meso- oder makroskopischer Ebene immer noch an mathematische Grenzen. Der Verbund will solche mit Vielteilchen-Quantensystemen verbundenen mathematischen Fragestellungen bearbeiten. (LMU München, Sprecher: Professor Dr. Christian Hainzl; ebenfalls antragstellend: TU München, Universität Tübingen)
Die Wechselwirkung zwischen Pflanzen und Mikroben ist ein entscheidender Faktor bei der Pflanzengesundheit. Der SFB/Transregio „Genetische Diversität, die biotische Interaktionen von Pflanzen gestaltet (PlantMicrobe)“ untersucht daher eine Vielzahl grundlagenwissenschaftlicher Fragestellungen, die alle Facetten der Pflanzen-Mikroben-Interaktion beleuchten und dabei sowohl die Symbiose als auch die Pathogenese in den Blick nehmen. An der Schnittstelle zwischen Pflanzenwissenschaften und Mikrobiologie sollen mithilfe moderner Ansätze aus der Biochemie, der Genetik sowie mit vergleichenden Omics-Analysen Erkenntnisse gewonnen werden, die langfristig dazu beitragen, die Pflanzengesundheit und somit die Pflanzenproduktivität durch die optimale Nutzung natürlicher Mechanismen zu verbessern. (LMU München, Sprecher: Professor Dr. Martin Parniske; ebenfalls antragstellend: TU München, Universität Tübingen)
Das Leben hängt von der Fähigkeit ab, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Dazu verfügen Organismen über ausgeklügelte Mechanismen zur zeitlichen und räumlichen Regulierung von Proteinfunktionen. Der Sonderforschungsbereich „Funktionelle Plastizität, kodiert durch zelluläre Membrannetzwerke“ analysiert, wie im molekularen Zusammenspiel Membransysteme auf externe Reize reagieren und sich daran anpassen und welche fundamentalen Prinzipien diesen Prozessen zugrunde liegen. Damit befasst er sich mit einer zentralen Frage der biologischen Grundlagenforschung und des Verständnisses von Krankheiten. (Universität Osnabrück, Sprecher: Professor Dr. Christian Ungermann)
Immer wieder entstehen weltweit neue pandemische Erreger wie SARS-CoV-2, die erhebliche Auswirkungen auf unsere Gesundheitssysteme haben. Gleichzeitig nehmen die antimikrobiellen Resistenzen zu. Daher müssen ständig neue Klassen von antimikrobiellen Wirkstoffen entwickelt werden. Der Sonderforschungsbereich „Entscheidungsprozesse bei Infektionskrankheiten (DECIDE)“ will anstelle der antimikrobiellen Wirkstoffe neue therapeutische Ansätze entwickeln, die sich auf die von Erregern ausgelöste Wirtsreaktion konzentrieren. Dazu gibt es bislang zu wenig Forschung, ein solcher Ansatz könnte der bislang hauptsächlich eingesetzten antimikrobiellen Therapie jedoch überlegen sein. (Universität Würzburg, Sprecher: Professor Dr. Thomas Rudel)
Zusätzlich zu diesen 13 neuen Sonderforschungsbereichen entschied der Bewilligungsausschuss zudem über zwei größere Pakete von Transferprojekten, die jeweils von einem Sonderforschungsbereich eingereicht worden waren und in dieser Größenordnung bislang einmalig sind.
Der SFB „Additive Fertigung“ der Universität Erlangen-Nürnberg widmet sich seit 2011 der Fertigung von hoch individualisierten, geometrisch komplexen Bauteilen mittels pulver- und strahlbasierter additiver Verfahren. Zusammen mit einem Industriekonsortium aus neun Anwendungspartnern wurden sechs Transferprojekte definiert, die sich übergreifend mit Metall- und Kunststoffwerkstoffen sowie den unterschiedlichen Strahlquellen Laser- und Elektronenstrahl beschäftigen. Die DFG fördert diese Projekte ab Januar 2023.
Der SFB „Regeneration komplexer Investitionsgüter“ der Universität Hannover wiederum wurde von 2010–2021 gefördert und widmete sich komplexen Regenerationsprozessen, die gerade im Kontext der Diskussionen um Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung immer weiter an Relevanz gewinnen. Die im Verbund erzielten Ergebnisse sollen nun in Zusammenarbeit mit verschiedenen Industriepartnern weiter in Richtung Anwendung entwickelt werden. Dazu werden ab Januar 2023 insgesamt 15 Transferprojekte gefördert.
In Transferprojekten kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit gewerblichen Unternehmen oder auch nicht gewerblichen, gemeinnützigen Einrichtungen, um durch die Bearbeitung eines gemeinsamen Arbeitsprogramms grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse und Ergebnisse in die Anwendung zu bringen. Zugleich sollen neue Fragestellungen und Impulse vom Anwendungspartner in die Wissenschaft fließen. Transferprojekte können jederzeit von einem Sonderforschungsbereich beantragt werden. Von den Anwendungspartnern wird eine angemessene Eigenbeteiligung erwartet, da sie vonseiten der DFG keine eigenen Zuwendungen erhalten.
Weitere Informationen: https://www.dfg.de/service/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung_nr_49/index.html
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