Prof. Dr. Yuko Nishitani
In unserer Serie “Connecting East and West – A Short Interview with …” stellen wir Ihnen Menschen vor, die an deutsch-japanischen Forschungskooperationen beteiligt sind – und ihre Erkenntnisse darüber, wie und wo man erfolgreich kooperiert!
Prof. Dr. Yuko Nishitani ist Professorin an der Graduate School of Law der Universität Kyoto und Trägerin des renommierten Philipp Franz von Siebold-Preises 2020, der für besondere Verdienste um das gegenseitige Verständnis von Deutschland und Japan verliehen wird. Im DWIH-Interview gibt sie einen Einblick in ihre rechtswissenschaftliche Forschung und ermutigt junge Forschende mit guter Vorbereitung und Offenheit in Forschungskooperationen zu gehen.
1. Welche Art von Forschung begeistert Sie, und warum?
Von Haus aus bin ich Juristin und bin zurzeit besonders von zwei Forschungsthemen begeistert.
Das erste Thema ist: Kulturelle Vielfalt und grenzüberschreitende Familienverhältnisse. Dabei stehen aktuelle Fragen von Migrationsgesellschaften im Mittelpunkt. Zum Beispiel bei einer Polygamie oder Kinderehe im Heimatstaat die Abwägung des Aufnahmestaates zwischen Respekt für den kulturellen, religiösen oder sittlichen Hintergrund von Immigranten und den Wertvorstellungen bzw. Ansprüche an Menschenrechte in der eigenen Gesellschaft. Die Betrachtung der bisherigen Erfahrungen in Deutschland sowie in anderen westlichen Ländern sind dabei wertvolle Anregungen, zumal auch Japan allmählich zu einer Immigrationsgesellschaft wächst und sicher in Zukunft mit ähnlichen Fragen konfrontiert wird.
Das zweite Thema ist: Unternehmensverantwortung und Menschenrechtsschutz. Es reicht heute nicht mehr aus, die Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens in einem Land zu kontrollieren, da internationale Konzerne grenzüberschreitend ihre Aktivitäten entfalten und dabei nicht selten schwerwiegende Umweltverschmutzungen oder Menschenrechtsverletzungen begehen. Um solche Muttergesellschaften für die Tätigkeiten von Tochtergesellschaften oder Lieferanten in die Verantwortung zu nehmen, hat Deutschland 2021 das Lieferkettengesetz erlassen. Auch die japanische Regierung hat angefangen sich Gedanken zu machen, ob und inwieweit man Großunternehmen eine Sorgfaltspflicht für globale Lieferketten aufzuerlegen hat. Dieser Bereich entwickelt sich rapide und mich fasziniert die Tatsache, dass die Menschheit auf diese Weise allmählich gemeinsame Werte gefunden hat und sich gemeinsame Ziele setzt. Es ist eine sehr anspruchsvolle, aber anregende Frage, wie man dafür einen rechtlichen Rahmen schaffen kann.
2. Was ist Ihre Verbindung zu Deutschland?
Deutschland ist praktisch meine zweite Heimat. Im Alter von fünf bis sieben Jahren wohnte ich in Gießen und besuchte den deutschen Kindergarten sowie die Schule. Damals konnte ich perfekt Deutsch – und zwar mit hessischem Akzent – was ich leider inzwischen verlernt habe. Danach war ich für die Promotion in Heidelberg (1994-1997) und besuche Deutschland für meine Forschung fast jedes Jahr, auch für eine längere Zeit (2009-2011), in Hamburg und Köln. Die Grundlagen meiner wissenschaftlichen Kenntnisse habe ich in Deutschland erworben und verdanke meinen deutschen Lehrern, Kollegen und Freunden, was ich heute bin.
3. Wo sollten Japan und Deutschland mehr kooperieren?
Wir haben heute zahlreiche gemeinsame Aufgaben vor Augen, wie z.B. Klimaschutz, Unternehmensverantwortung, Wiederaufbau der Gesellschaft nach COVID-19, Kampf gegen Armut usw. All diese Herausforderungen sind auch in den Nachhaltigkeitszielen (SGDs) der Vereinten Nationen verankert. Bei der Verfolgung unserer gemeinsamen Ziele sollten wir neue wissenschaftliche Netzwerke und Kooperationsrahmen zwischen Deutschland und Japan sowie mit anderen Staaten aufbauen. Dabei ist eine internationale und interdisziplinäre Arbeitsweise entscheidend. Dies erstreckt sich nicht nur auf die Natur-, sondern auch auf die Geistes- und Sozialwissenschaften.
4. Was ist Ihr Erfolgsrezept für Forschungskooperationen?
Für eine effektive wissenschaftliche Zusammenarbeit ist es m.E. unerlässlich, dass man gut kommuniziert, die wissenschaftlichen, sozialen, finanziellen und sonstigen Gegebenheiten der Partnerinstitution versteht und den gemeinsamen Bedarf und Fragestellungen herausarbeitet. Oft denkt man, dass die Partnerinstitution die gleichen wissenschaftlichen Interessen verfolgt, aber bestimmte Fragen können in einem anderen Land in einem völlig neuen Kontext erscheinen. Zu diesem Zweck ist es unerlässlich, den wissenschaftlichen Forschungsstand des Partnerlandes gut zu recherchieren und auf dieser Grundlage eine Forschungskooperation aufzubauen.
5. Welchen Rat haben Sie für deutsche/japanische Forscher:innen, die nach gemeinsamen Projekten suchen?
Eine grundlegende Recherche ist m.E. stets notwendig. Der erste Schritt sollte sein, die Website der Institutionen sowie Wissenschaftler zu besuchen, die einschlägigen Publikationen zu prüfen und zu lesen. Gegebenenfalls sollte man über persönliche Kontakte versuchen, den richtigen Ansprechpartner zu finden. Für den Bereich der Rechtswissenschaft bin ich gerne bereit, Kontakte herzustellen oder Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln, die sicher gerne weiterhelfen. Zögern Sie also bitte nicht, sich an mich zu wenden!
Prof. Dr. Yuko Nishitani
• Promotion in Rechtswissenschaft, Universität Heidelberg
• Professorin an der Graduate School of Law, Universität Kyoto
• Trägerin des Philipp Franz von Siebold-Preis 2020
• Forschungsgebiet: Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung, Familienrecht
• Publikationen u.a. zur kulturellen Vielfalt und Familienverhältnissen, Unternehmensverantwortung, der Staatsangehörigkeit und Familienverhältnissen, theoretischen Grundlagen des internationalen Privatrechts, und der internationalen Rechtsvereinheitlichung
Kontaktinformation:
nishitani@law.kyoto-u.ac.jp
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Veröffentlicht am: 17. März 2022